Hmmm, das schmeckt aber (gar nicht) lecker
- Bülent Erdogan
- 6. Aug. 2019
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Okt. 2019
Jedes vierte produzierte Lebensmittel auf unserem Planeten schafft es nicht auf den Teller oder wird weggeschmissen. Kann das Internet of Things das ändern?

Ein ganz normaler Samstagmorgen irgendwo in Deutschland: Ein Mann hat gerade seine Wocheneinkäufe besorgt. Nachdem er die Rechnung bezahlt hat, holt er sein Schweizer Taschenmesser heraus, schneidet mit diesem von der Gurke ein gutes Stück ab und wirft es in lässiger Manier in die Tonne. Dann nimmt er drei Eier von der Zehnerpackung und übergibt diese ebenfalls dem Mülleimer. Zum Entsetzen aller im Supermarkt schüttet er auch noch ein gutes Glas des Einliter-Tetrapaks H-Milch ab. In der Schlange an der Kasse rumort es, Kunden packen sich entsetzt an den Kopf, Kinder kichern verlegen. Als die Kassiererin den Mann verdutzt fragt, was das soll, entgegnet er beinahe verständnislos: „Das alles schaffe ich allein doch gar nicht! Soll das alles bei mir schlecht werden?“
Oben beschriebene Situation ist natürlich fiktiv. Doch die Realität kann es locker mit der Fiktion aufnehmen: Mehr als eine Milliarde Tonnen an Lebensmitteln schaffen es nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen jedes Jahr weltweit nicht auf die Teller oder landen im Müll. Trifft diese Schätzung zu, dann gehen der Menschheit 25 bis 33 Prozent aller Lebensmittel verloren. Zugleich leiden noch immer mehr als 800 Millionen Menschen auf diesem Planeten Hunger.
Die Gründe für diesen beklagenswerten Zustand sind vielfältig. Schon auf Anbaufeldern und Plantagen oder bei der Tierhaltung kommt es zu häufig vermeidbaren Verlusten an Nahrungsmitteln oder ihren Vorprodukten. Zudem verderben Lebensmittel noch immer während der Lagerung und des Transports. Am vielleicht augenfälligsten ist die Verschwendung von Lebensmitteln im Handel, der Gastronomie, der Hotellerie und in Privathaushalten. Würde man diese verlorenen Lebensmitteln in LKW laden und diese aneinanderreihen, so ergäbe sich eine etwa 400.000 Kilometer lange Kolonne, die in etwa von hier bis zum Mond reichte.
Die gute Nachricht: Der heute weltweit mögliche schnelle Datentransfer und die Vernetzung zum Beispiel smarter Geräte, auch als Internet der Dinge bekannt (Englisch: Internet of Things, IoT), kann einen Beitrag dazu leisten, Verluste an Lebensmitteln auf allen Ebenen der Produktions-, Liefer und Wertschöpfungskette zu vermeiden. So können intelligente Sensoren, die Teil eines IoT-Netzwerkes sind, bereits dem Bauern beim Anbau oder der Bewässerung von Getreiden, Früchten oder Gemüsen wertvolle Daten liefern. IoT-Anwendungen ermöglichen es auch, Verluste bei der Lagerung vor Ort und beim Transport zu Abnehmern wie dem Großhandel zu minimieren. Kommt es beispielsweise zu einer Überschreitung der Temperatur im Kühlcontainer, kann das System Alarm schlagen und den LKW-Fahrer in eine Werkstatt leiten. Wird die maximale Transportzeit zum Beispiel durch die Vollsperrung einer Autobahn gefährdet, so kann der Mitarbeiter der Spedition dem Fahrer mittels IoT eine Alternativ-Strecke vorschlagen. Eine Anwendung im Supermarkt ist zum Beispiel die Überwachung von Lebensmitteln in der Kühltruhe mit Blick auf deren Haltbarkeit. Rückt das Mindesthaltbarkeitsdatum näher, kann die Software dem Supermarkt-Manager rechtzeitig einen Abverkauf vorschlagen. Ein „Verramschen“ der Ware am letzten Haltbarkeitstag gehört so der Vergangenheit an.
Um an dieser Stelle keine Geschichtsklitterung zu betreiben: Natürlich gibt es fundamentale Probleme, die insbesondere ethischer Natur sind, man denke daran, dass noch immer jährlich 45 Millionen männliche Küken nach dem Schlüpfen geschreddert oder vergast werden, weil sie keine Eier legen und auch nicht so schnell gemästet werden können wie ihre Schwestern. Und in Bayern, so die Süddeutsche Zeitung, wird jedes zehnte Kalb keine vier Monate alt und stirbt an Krankheiten (Tierärztin: "Das ist der Preis für unsere Form der Rinderhaltung").
Die Verschwendung von Lebensmitteln hat mit Blick auf den noch immer existierenden Hunger in der Welt eine große ethische Dimension. Jedes weggeworfene Lebensmittel ist aber auch verschwendetes Wasser, vergeudete Energie und ausgegebenes Geld, das an anderer Stelle fehlt.
Laut Bundeszentrum für Ernährung schmeißt jeder Bundesbürger jährlich Nahrungsmittel im Wert von etwa 235 Euro in den Müll. Eine vierköpfige Familie kommt so auf 940 Euro. Könnten intelligente Kühlschränke in Kombination mit einer smarten Haushaltsführung helfen, wertvolle Ressourcen und auch Geld einzusparen?
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