Ey Dude, deine Karre hat Parkinson!
- Bülent Erdogan
- 30. Nov. 2018
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Feb. 2019
Ich mag Ford. Die Marke mit der Pflaume und dem leicht faschistoiden Firmengründer, auf den später so markante Persönlichkeiten wie Lee Iacocca (was für ein genialischer Name!) folgten, hat bei mir einen Stein im Brett, ist halt so ein objektiv nicht untermauerbares Gefühlsding.

Denke ich an Ford, dann natürlich an die Tin Lizzy und die Idee, die Karren auf einem Fließband produzieren zu lassen. Ich denke an die Wirtschaftsförderung eines gewissen Konrad A. aus der "Stadt met K" (Kasalla), der die Deutschland-Expedition 1931 aus dem Berliner Westhafen in den Kölner Norden lockte. Ich denke an Steve McQueen im Mustang Bullitt, an den Transit, an Klaus Niedzwiedz im Sierra Cosworth. Und ich denke an die Geschichte meiner Großeltern und die weiterer Familienmitglieder, die ihren Lebensunterhalt bei Ford bestritten.
Auch die erste Station meines 1962 als Gastarbeiter nach Almanya ausgewanderten Vaters lautete Ford Deutschland, Köln-Merkenich. Das Punktschweißgerät um den Körper geschlungen, machte mein Erzeuger als damals 22-Jähriger die ersten beruflichen Schritte im Wirtschaftswunderland. Dann gelang ihm noch rechtzeitig der Absprung. Gegen Ford im Privaten hatte er wiederum nichts einzuwenden. Und so fuhren wir in den Siebzigern einen braunen 17M mit schwarzem Top und in den späten Achtzigern einen ockerfarbenen Taunus, der auf dem jugoslawischen Autoput mit den Extra-Oktan von Josip Tito zu Höchstleistungen auflief. Es war eine Zeit, in der auf Straßen und Parkplätzen noch nicht alles VAG-dominiert war. Eine Zeit, in der Opel Markanteile von 20 und mehr Prozent hatte und einen Fuchsschwanz als Maskottchen. Eine Zeit, in der man auch mit einem gut motorisierten Ford Capri oder Granada oder Consul Coupé ein gewisses Prestige gewinnen konnte.
Die Zeiten haben sich geändert. Aber noch immer lässt sich mit einem besonderen Auto schon gehörig auf die Kacke hauen. Ford hat hierfür zum Beispiel den Focus ST im Angebot, der in Saarlouis vom Band kommt. Der „Sport Focus im Serientrimm“ (Auto Zeitung: https://www.autozeitung.de/ford-focus-st-2019-preis-technische-daten-193672.html) bringt es bislang auf 250 Pferdestärken (bald gar 300?) aus zwei Litern Hubraum mit dem schönen Marketing-Label Eco Boost.

Einen solchen Focus gibt es auch bei uns in der Nachbarschaft zu bestaunen. Und eine Besonderheit: Der Wagen scheint einen Schluckauf zu haben. Oder der Fahrer nervöse Zuckungen im rechten Unterschenkelkompartement seines Astralkörpers. Wie auch immer, die Meter, die auf die Einfallstraße ins Veedel bis zum Abstellort folgen (23 von 24 Stunden handelt es sich bei Fahrzeugen ja eigentlich um Stehzeuge), legt das Auto als blechgewordene Reminiszenz an eine Mammut-Vuvuzela zurück. Peitschenartig schnellt im Inneren die Schuhsohle nach unten und der Drehzahlmesser nach oben und da, wo eben noch idyllisches Großstadtgrundrauschen Betriebsamkeit vorschützte, platzt es aus dem Auspuff derart brachial heraus, als würde das Auto sein Leben aushauchen.
Zum Glück steht es um den Wagen aber nicht so schlecht, auch wenn die mattgraue Lackierung etwas anderes suggeriert. Denn auf den ersten Bawummm folgt im Abstand von jeweils zwei oder drei Sekunden der nächste Bawummm-Puff-Peng-Sound.
All das ist so niedlich und nett vom Nachbarn, dass man gern eine, zwei, drei, vier, fünf Kartoffeln zur Hand nähme und diese in die Zylinder schraubte. Der fünfte Erdapfel ließe sich zur Zierde des Auspuffendrohrs verwenden.
Das alles muss nicht sein. Also, das mit dem Krach. Eine Option wäre nun, Motoren in der Stadt in der Drehzahl zu begrenzen. Man bräuchte eine entsprechende Software, die per GPS auf den Stadt-Modus hin getriggert werden kann. Eine andere Option wäre, Hersteller und Tuner zu leiseren Auspuffanlagen und besser gekapselten Motoren zu zwingen. Alternativ könnte eine Soundsonde, sozusagen eine Lambdasonde für genervte Straßenanrainer, die Motorleistung entsprechend der nach BImschG geltenden Dezibelkategorien für Tag und Nacht einregeln. Den fetten Sound könnte man ja im Autoinneren einspielen, sodass auch der junge Mann mit dem nervösen Schuh weiterhin seinen Spaß hat. Und per Bluetooth und über eine App ließe sich das Brabbeln und Blubbern an Freunde oder Freundin weiterleiten.
Es soll auch ja jeder zu seinem Recht kommen.
Herr "Dr." Scheuer hat doch jüngst das Autofliegen entdeckt. Wie bei den Jetsons. Ich bin kein Autogegner sui generis, aber die Zahl der Autos ist heute eine ganz andere als noch in den 50ern/60ern. Innovationen? Komfortblinken! Klar ist vieles besser und komfortabler geworden, aber zum Beispiel der mangelnde "Partnerschutz" von SUVs gg Kleinstwagen/Leichtkraftfahrzeuge, und das wären Modelle wie der minimo oder uniti ja, deuten auf den grossen ordnungspolitischen Regelungsbedarf, was zumindest die Metropolregionen angeht. Aber es wird verwaltet und simuliert in Baudrillardschen Sinne. Vielen Dank für Ihren Input.
A apropos Drehzahl, da ich Erfahrungen erwerben durfte, die mittlerweile als historisch einzustufen sind, z. B. legal Motorrad fahren ohne Helm oder Fahrerlebnisse im Messerschmidt Kabinenroller erwerben, hat sich meine Sozialisation als Verkehrsteilnehmer in einer Weise vollzogen, die heute schwer nachvollziehbar ist. Heute ist es nur nach aufwändiger Einleitung möglich, verstanden zu werden wenn man berichtet, wie man bei einem nicht synchronisierten VW Standard die Gänge ohne Nebengeräusche wechselt.
Aber dadurch weiß man, dass das Geschäft der Autoindustrie darin besteht, das Fahrzeug mit überbordender Komplexität voll zu packen und dafür möglichst viel Geld zu verlangen.
Seat hat unlängst auf einer Messe in Spanien einen entfernten Nachkommen des Kabinenrollers vorgestellt, genannt Minimo, der als zweisitziges E-Mobil einen ausgezeichneten ersten Eindruck machte.…